Kapitel 22

Wir sind vom Klitschko-Team

Wie schon erwähnt, wenn man es nicht selbst erlebt und gesehen hat, kann man nicht nachvollziehen, welchen Status erfolgreiche Sportler in anderen Ländern haben.
Ich konnte das u.a. bei mehreren Veranstaltungen in Budapest im Zusammenhang mit Istvan Koko Kovacs und Zsolt Erdei, den beiden ungarischen Weltklasseboxern und Weltmeistern selbst erleben. Auch die Weltmeister Dariusz Michalczewski in Polen und Michael Löwe in Rumänien hatten den gleichen Status. Aber besonders krass war das in Kiew.

Ein besonders drastisches Beispiel ist mir in Erinnerung geblieben.

Einige Trainer, Offizielle und Pressevertreter und ich waren an einem Abend von einem deutschen Inhaber eines Restaurants zum Essen eingeladen. Ein sehr schönes Lokal mit typisch ukrainischer, aber auch deutscher Küche.

Wir fuhren eine halbe Stunde durch den noch dichten Berufsverkehr, bis wir das Restaurant erreichten.
Beim Hineingehen bemerkten wir einen uniformierten Polizisten vor der Tür.

Es war sehr voll und wir setzten uns an den reservierten Tisch. Der Inhaber des Restaurants kam zu uns und begrüßte uns herzlich. Wir aßen ein köstliches Menü mit ukrainischen Speisen.

Im Laufe des feuchtfröhlichen Abends setzte sich der Inhaber des Restaurants zu uns, und wir erfuhren, was wir soeben gegessen hatten.
Dann sprachen wir über das Boxen, aber auch über das Leben in Kiew und den uniformierten Polizisten vor der Tür. Das sei, so erklärte der deutsche Inhaber des Restaurants, schon ganz wichtig für die Sicherheit. Auf die Uniform angesprochen wurde uns erklärt, dass in der Ukraine die Polizisten sehr wenig verdienen und daher neben ihrem Job auch private Wachdienste in Polizeiuniform übernehmen.

Es wurde viel getrunken und gelacht, und wir erfuhren viele interessante Details über Kiew und das Leben in dieser schönen Stadt. Irgendwann geht auch mal der schönste Abend zu Ende und die Rückfahrt ins Hotel stand an.

Wir waren acht Personen, die in bester Stimmung waren. Wir hatten einen vorzüglich funktionierenden Fahrdienst, der uns in Kiew überallhin brachte und auch abholte. Doch an diesem Abend waren verschiedene Gruppen an verschiedenen Orten unterwegs.

Und so stand nur ein Fahrzeug vor der Tür.

Es war ein größerer PKW, wenn ich mich richtig erinnere, wohl sowjetischer Bauart, mit Platz für 4 Personen.
Also was tun.
Das Lokal lag etwas außerhalb des Stadtzentrums, die Hinfahrt hatte über 30 Minuten gedauert. Also mussten wohl einige von uns 1 Stunde auf die Rückfahrt warten. Aber reichlicher Alkoholgenuss macht unter anderem auch kreativ und man kommt auf abenteuerliche Gedanken.
Ein Ringrichter des BDB kam auf eine glorreiche und mit Gelächter begleitete Idee, er sagte:
„Da passen wir doch locker alle rein“. Es folgte eine kurze, sehr lustige Diskussion. Es wurde gewitzelt, wer mit wem, wie, wo und warum sitzen könne. Intensiv wurde über das Für und Wider diskutiert, so mancher Witz, der zu diesem Thema passte, wurde erzählt. Wir hatten viel Spaß.
Dann beendete der Ideengeber die Diskussion mit dem Satz.

„Wenn sie uns schnappen, landen wir eben im Gefängnis und da die Veranstaltung morgen ohne uns nicht stattfinden kann, werden sie uns schon wieder herauslassen“.

Die, die den starken Wodka reichlich genossen hatten, fanden das sehr lustig. Ich war nüchtern und war mir da nicht ganz so sicher. Aber jetzt Spielverderber sein, nein da musste ich durch.

Wir hatten einen sehr lockeren und lässigen Fahrer, der glücklicherweise Englisch sprach. Nach einer kurzen Diskussion fand auch er die Idee der verrückten Deutschen gut.

Also gesagt, getan.

Die innere Kofferraumabdeckung entfernen und somit Platz für 2 kleinere hockende Personen schaffen, auf der Rückbank, aus drei mach vier, und auf der Vorderbank, aus 1 mach 2.
Also in der Summe 8 Personen.
Wir hatten unsere Schwierigkeiten, die Idee in die Tat umzusetzen. Es musste viel bedacht werden.
3 größere, freundlich ausgedrückt kräftigere Männer waren in unserer Gruppe. Wo saßen oder hockten sie am besten? Es wurde viel diskutiert und auch ausprobiert. Die eisige Kälte sorgte aber dafür, dass wir relativ schnell eine zufriedenstellende Lösung fanden.
Der Fahrer schaute sich das Ganze grinsend an.

Ich fragte mich, was er wohl in diesem Moment dachte.

Da ich zu den größten Mitfahrern gehörte, durfte ich mir den Sitz vorne mit einem kleineren, schmächtigen Ringrichter teilen.
Alles klar, die wilde Fahrt ging los. Es war eine längere Fahrt mit zotigen Bemerkungen und Männerwitzen, ich habe selten so viel gelacht. Und kurz bevor wir am Hotel ankamen, plötzlich hinter uns eine Sirene und Blaulicht. Schlagartig wurden keine Witze mehr gemacht.

Es breitete sich eine bleierne Stille im Auto aus, nur die Sirene des Polizeiautos war zu hören. Was hatten wir nicht alles gehört über die strenge Polizei und die Gefängnisse in Kiew.  Ich glaube, in diesem Moment fand keiner mehr die Perspektive sehr prickelnd, die Nacht in einem Kiewer Gefängnis zu verbringen.
Immer noch atemlose Stille. Einige von uns sahen sich sicher schon in einer kleinen kalten und schmutzigen Einzelzelle bei Wasser und Brot.
Der Fahrer sagte, wir sollten alle mal ruhig bleiben, er klärt die Situation. Wir hielten an, der Fahrer stieg und die Spannung und Unsicherheit im Auto waren mit Händen zu greifen. Das Polizeifahrzeug hatte direkt vor uns gehalten.

Wir sahen, wie die Polizisten ausstiegen und etwas länger mit dem Fahrer sprachen. Wurde da nicht auch gelacht. Und dann schauten sie alle zu uns und tatsächlich lachten sie.

Warenkorb
  • Dein Warenkorb ist leer.